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Überprüfung des Urteils im Rahmen der Revision Strafzumessung und Härteausgleich bei ausländischen Urteilen

Die Gerichte vernachlässigen bei der Strafzumessung häufig den Gesichtspunkt des Härteausgleichs oder des Gesamtstrafübels, wenn nach der Vollstreckung eines Urteils die Zäsurwirkung entfällt. Manchmal hängt dies vom Zufall ab und im Urteil ist eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB nicht mehr möglich. In diesem Fall ist ein Härteausgleich vorzunehmen. Auch bei ausländischen Urteilen ist ein Härteausgleich vorzunehmen.

Nach der neuen Rechtsprechung des BGH muss eine ausländische Verurteilung bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, das Urteil muss sich damit auseinandersetzen, sonst ist das Urteil mit der Revision anfechtbar.
So heißt es in einem Beschluss des 2. Senats vom 23. November 2023 – 2 StR 420/23:

„Die Strafkammer hat aber, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist, nicht bedacht, dass ausländische Verurteilungen zwar nicht gesamtstrafenfähig, jedoch bei der Strafzumessung – wenn auch nicht in Form eines bezifferten Strafabschlags – über den Gesichtspunkt des Härteausgleichs oder des Gesamtstrafübels zu beachten sind, wenn ein Gerichtsstand auch in Deutschland begründet gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2018 – 1 StR 599/17, StV 2019, 603) oder das Urteil in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2018 – 1 StR 508/18, NJW 2019, 1159) verhängt wurde. Ausweislich der Urteilsgründe enthält die „Mitteilung aus dem belgischen Strafregister“ sowohl hinsichtlich des Angeklagten Q. als auch hinsichtlich des insoweit vom Rechtsfehler in gleicher Weise betroffenen Nichtrevidenten E. „Eintragungen aus dem Bereich der Straßenverkehrsdelikte“.

Zuvor hatte der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 8. März 2023 – 1 StR 130/22) die Sache dem EuGH vorgelegt.

Auch der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hatte ein Urteil der Vorinstanz aufgehoben, weil eine Strafsummenausgleich vom Gericht nicht erörtert worden war. (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2023, 4 StR 495/22).

In dem dortigen Urteil war der Angeklagte, ein polnischer Staatsangehöriger, in Deutschland nicht, in Polen aber mehrfach vorbestraft. Zuletzt verurteilte ihn das Amtsgericht Kościan am 19. Februar 2020 wegen eines am 24. Januar 2019 begangenen Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten.

„Bei der Strafzumessung sind etwaige Härten in den Blick zu nehmen, die durch die zusätzliche Vollstreckung von Strafen drohen, welche von Gerichten anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union verhängt wurden, wenn diesbezüglich in zeitlicher Hinsicht die Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB erfüllt wären“, so der 4. Strafsenat.

„Derartige Härten werden in vergleichbaren Fällen vorausgegangener Verurteilungen durch deutsche Gerichte nach § 55 StGB durch eine nachträglich zu bildende Gesamtstrafe vermieden, während ausländische Strafen wegen des mit einer Gesamtstrafenbildung verbundenen Eingriffs in deren Vollstreckbarkeit grundsätzlich nicht gesamtstrafenfähig sind,“ so der 4. Strafsenat. „Auf welche Weise dies geschieht, ist unionsrechtlich nicht vorgegeben“ (EuGH, Urteil vom 12. Januar 2023 – C-583/22

„Es gelten daher dieselben Grundsätze wie bei einer an sich gesamtstrafenfähigen, aus zufälligen Gründen aber nicht mehr berücksichtigungsfähigen inländischen Vorstrafe“. (BGH, Beschluss vom 12. Juli 2023 , 4 StR 495/22)